Ramadan im Rhein-Kreis Neuss

Millionen Muslime in NRW fasten noch bis Ende des Monats - viele auch im Rhein-Kreis Neuss.

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Einen ganzen Monat lang sollen Muslime von morgens bis abends nichts essen und trinken. Auch sexuelle Enthaltsamkeit spielt eine Rolle. Man soll auch nicht rauchen oder fluchen.

"Dieser Monat hilft uns einfach dabei, ein bisschen in Gedanken zu verfallen und auch an Menschen zu denken, denen es vielleicht nicht so gut geht, um auch nochmal selbstreflektierend zu überlegen: Ist das oder jenes wirklich richtig? Kann ich nicht vielleicht doch meine Ressourcen anders aufteilen?", erklärt Umut Ali Öksüz von dem Neusser Verein "Interkulturelle Projekthelden".

Müssen alle Muslime fasten?

Genauso wie bei jeder anderen Religion auch gibt es im Islam einen Leitfaden, nach dem man leben soll. Von der Vorschrift zu fasten, sind zum Beispiel Schwangere oder auch Kranke ausgenommen. Grundsätzlich ist aber kein Moslem dazu gezwungen zu fasten, sagt Öksüz:

"Wenn einer eben nicht fastet, dann ist das sein eigenes, persönliches Anliegen. Aber da können wir uns nicht einmischen und sagen, warum er das nicht macht. Und genau das soll der Monat ja eigentlich auch trainieren. Wir sollen auf uns selbst achten. Indem wir mit dem Finger wieder auf andere zeigen, machen wir genau das, was eigentlich nicht so gut ist. Sobald wir uns einmischen, sobald wir Richter spielen, hat das keinen Sinn und Zweck mehr, denn man versucht dann zwischen Mensch und Gott zu sein."

Es kann auch mal vorkommen, dass man fastet und dann aber doch mal aus Versehen tagsüber etwas isst oder trinkt. Das sei aber kein Problem, fährt der Vereinsvorsitzende fort. Es gehe nämlich um die Absicht hinter dem Fasten.

Aufklärungsarbeit der Interkulturellen Projekthelden

Gerade unter Jugendlichen kommt es öfter vor, dass sie sich denunzieren, wenn einer nicht fastet. Deswegen müsse es mehr Aufklärungsarbeit geben, um Jugendliche zu erreichen, so Öksüz. Dafür setzen sich die Interkulturellen Projekthelden auch ein. Sie veranstalten während des Ramadans zum Beispiel Bastel-Aktionen für Kinder und Eltern im Jugendzentrum "InKult" in Neuss und dabei können sie dann alle möglichen Fragen rund ums Thema Ramadan stellen. Der Verein arbeitet aber auch mit den Schulen im Rhein-Kreis Neuss zusammen. Hier stellen sie zum Beispiel Workshops und Gesprächsrunden für Lehrer auf die Beine. Es müsse aber noch deutlich mehr passieren:

"Eigentlich müssten die Moschee-Gemeinschaften hier die Zügel in die Hand nehmen und eine Aufklärungsarbeit leisten. Und da reicht es nicht, dass man sich einmal die Woche zusammen trifft. Also die Moschee-Gemeinden müssen einfach noch stärker aktiv werden, damit auch die jungen Menschen erreicht werden. Viele Jugendliche sagen mir: 'Ja, das wusste ich noch gar nicht.' Dann stell ich mir die Frage: Wo wird religiöse Aufklärungsarbeit denn gemacht? Nicht an jeder Schule gibt es religionspädagogischen Unterricht mit islamischem Kontext und die Jugendlichen können ja nicht nur durch die Medien Inhalte konsumieren.", erklärt Öksüz.

Die Projekthelden zu Ramadan

Erfahrungen von muslimischen Jugendlichen in der Schule

Miraç Göl ist 21 Jahre alt und ist Jugendsprecher bei den Interkulturellen Projekthelden. Er hat uns offen erzählt, wie er Ramadan in seiner Schulzeit erlebt hat. Jedes Jahr habe er die gleichen Fragen gestellt bekommen: Darfst du nichts essen? Darfst du auch nichts trinken? Wieso machst du das? Wirst du gezwungen? Das fehlende Verständnis sei aber nicht nur von Mitschülern, sondern auch von Lehrern gekommen, erklärt er:

"Wir gehen davon aus, dass sie das eigentlich mittlerweile wissen, weil es jedes Jahr dasselbe ist. Aber trotzdem wurde das halt immer ausgefragt und das meistens auch mit einem negativen Unterton, finde ich. Nach einer Zeit wird's halt nervig, aber was willst du machen? Man will's ja immer wieder gerne mal erklären."

Auch Cihan Yatkin hat ähnliche Situationen in seiner Schulzeit gehabt. Er ist auch 21 Jahre alt und ist im Jugendvorstand des Vereins. Er schildert Situationen, in denen er von Mitschülern bewusst provoziert wurde, beispielsweise als ein Junge mit einem Butterbrot vor seiner Nase rumgewedelt hat. Er habe versucht, nicht darauf einzugehen. Unterstützung habe er besonders bei seinen muslimischen Freunden bekommen:

"Der eine geht ja mit provokanten Aktionen anders um, als der andere. Da hat man sich dann natürlich in der Gruppe ein bisschen aufgepusht, hat gesagt: 'Komm, du musst da nicht drauf eingehen.' Das macht das Fasten schwerer für den Tag, weil man sich stresst, man sauer wird, wahrscheinlich kann auch der Blutdruck steigen. Also wir haben uns da schon untereinander geholfen", erzählt Cihan.

Das erfordert laut Umut Ali Öksüz dann auch eine große Selbstdisziplin, die dann unter muslimischen Jugendlichen doch auch oft verloren gehe. Er habe nämlich die Beobachtung gemacht, dass unter den Jugendlichen öfter mal Konkurrenzkämpfe entstehen, bei denen es darum geht, wer am längsten durchhält. Der eigentliche Sinn von Ramadan und der Fastenzeit würde dadurch in den Hintergrund rutschen. Auch hier sei Aufklärungsarbeit wichtig.

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