Die größten Gefahren für das Kinderwohl in der Pandemie
Veröffentlicht: Donnerstag, 10.02.2022 13:09
In dieser Woche widmen wir uns den Kleinsten unter uns - unseren Kindern. Sie haben in zwei Jahren Corona-Pandemie viel durch- und vor allem mitmachen müssen.
Wir wollen mit dieser Umfrage wissen, wie es euren Kids in zwei Jahren ergangen ist. Lief es gut oder lief es schlecht? Stimmt mit einem Klick ab. Unten erfahrt ihr viele hilfreiche Infos zu diesem wichtigen Thema.
Nachhilfeanbieter: Grundschüler haben es schwer gehabt
Zwei Jahre Pandemie waren und sind vor allem in Sachen Schule eine riesige Herausforderung gewesen. Bei ganz vielen sind die Noten schlechter geworden und da liegt Nachhilfe nahe. Thomas Momotow vom Nachhilfeanbieter "Studienkreis" sagt, das vor allem die Grundschulkinder große Probleme hatte, dass sie in den beiden Jahren häufig nicht mitgekommen sind. "Das sind ja Kinder, die gerade erstmal die Basiskompetenzen erwerben wie Lesen, Schreiben und Rechnen und denen es auch nicht leicht gefallen ist, im Distanzunterricht gut klarzukommen. Das heißt auf der einen Seite mit der Technik und sie sind auch nicht gut in der Lage, selbstständig zu lernen. Das kann man von ihnen nicht erwarten und das ist im Distanzunterricht, im Home-Schooling, ja ganz besonders von Bedeutung gewesen.“ So hat der Studienkreis in den letzten zwei Jahren sieben Prozent mehr Grundschulkinder aufgenommen. Bei den Fächern sind es auch in der Pandemie noch die Klassiker: Deutsch und Mathe. Dies würden aber nach und nach abgelöst.
Was können Eltern neben Nachhilfe tun, damit es den Kindern besser in der Schule geht? Momotow empfiehlt: "Sie helfen ihrem Kind in erster Linie damit, dass sie ihm Sicherheit geben und versuchen zu verstehen, wie es dem Kind geht, was ja natürlich auch kein Interesse daran hat schlechte Noten zu haben und jetzt ganz besonders die Unterstützung der Eltern braucht. Es ist ratsam, ein gutes Lernumfeld und Strukturen zu schaffen, gleichzeitig auch nicht zu viel zu erwarten."
Zu viel Distanzunterricht: Schüler 'digitalmüde'
Nachhilfeanbieter bekommen viele Anfragen - kurz nach den Halbjahreszeugnissen. So zum Beispiel auch die 'Schülerhilfe'. Christian Pieper vom Verein hat uns gesagt, warum der Bedarf so groß sei: Schülerinnen und Schüler seien "digitalmüde". Leistungen im Distanzunterricht seien eingeknickt und die Motivation wäre deutlich geringer, so Pieper. "Es fehlt die Ansprache in Präsenz. Es fehlt einfach so ein - ich sag jetzt mal - 3D-Faktor. Ich habe den Schüler nicht mehr bei mir, ich kann dem nicht mehr über die Schulter gucken. Der sitzt zwar vor mir im Distanzunterricht - ich sehe ihn, aber ich sehe nicht, was er da genau rechnet. Ich habe einfach so ein bisschen weniger Möglichkeit mit dem Schüler zu arbeiten und wir haben ganz klar festgestellt, wenn wir die Möglichkeit hatten von digital auf wieder vor Ort zu wechseln, sind die meisten Schüler mitgezogen.“
Kinderpsychologe: Quarantäne für die Kleinsten sehr belastend
8 von 10 Kindern fühlen sich durch die Pandemie belastet, vermeldet eine aktuelle Studie. Professor Julian Schmitz, Kinder- und Jugendpsychologe an der Uni Leipzig, sagt, viele Kinder haben vor allem Angst vor einer Quarantäne. "Eine Quarantäne ist mit das belastendste Ereignis für Familien und für Kinder. Es gibt Kinder, die haben große Angst vor den täglichen Tests in der Schule. Sie haben Angst positiv zu sein, weil sie Angst haben, in die Isolation gehen zu müssen. Auch weil sie wissen, dass sie in dieser Isolation von ihren Freunden abgeschnitten sind, dass sie auch Angst haben, schulischen Stoff zu verpassen. Das sehen wir auch an Forschungsdaten, beispielsweise aus der Schweiz. Einer der größten Belastungsfaktoren im Moment neben dieser Quarantäneangst ist auch der starke Leistungsstress durch die Schulen."
Schulen können dabei helfen, diesen Kindern solche Ängste zu nehmen, so Schmitz: " Wir wissen aus Studien, dass Kinder und Jugendliche umso besser durch die Pandemie kommen, je häufiger sie direkten Kontakt auch mit der Schule und mit den Lehrerinnen und Lehrern hatten. Das heißt, es ist für Kinder und Jugendliche und für Familien total hilfreich, wenn einmal am Tag jemand anruft oder es eine kurze Videokonferenz gibt." Eltern können für Schmitz ebenso ein Faktor sein, Kindern aus der Misere zu helfen: "Sie sollten schauen, abwechslungsreiche Phasen in den Alltag einzubauen - wenn man dies gewährleisten kann. Dass Kinder beispielsweise Dinge machen können, die ihnen Spaß machen. Sie sollten ebenso Gelegenheiten schaffen, dass Kinder über Ängste oder Gefühle sprechen können."
Professor Schmitz: Dann ist ein Gang zum Psychologen richtig
Woran erkenne ich ob mein Kind davon betroffen ist? Viele Eltern fragen sich dies zurzeit. Darauf hat der Psychologie-Professor "Auf der einen Seite berichten es Kinder. Sie sprechen über Traurigkeit, von Ängsten. Aber Kinder und Jugendliche tun das seltener als Erwachsene. Anzeichen sind: Kinder werden ängstlich, werden stiller, trauriger und ziehen sich über einen längeren Abschnitt von einer bis zwei Wochen weiter und weiter zurück. Hier macht es Sinn, beim Psychologen vorstellig zu werden.“
Der Terminservice der Krankenkasse kann bei der Suche nach einem geeigneten Psychologen weiterhelfen. Denn es ist nicht immer einfach, einen Therapieplatz zu finden. Bei einem Thema allerdings darf gar nicht erst abgewartet werden, sondern umgehend gehandelt werden: Suizidgefahr. Professor Schmitz dazu: "Das tritt sehr häufig in Verbindung mit Depressivität auf, also mit Rückzug, mit großer Traurigkeit, Schlafstörungen, aber auch Gewichtsverlust. Es ist nicht falsch, konkret Fragen zu stellen, wie: 'Hast du solche Gedanken, dass du vielleicht nicht mehr leben willst oder dass es besser wäre, wenn das Leben vorbei wäre?' Es ist nicht so, dass man jemanden auf Suizidgedanken bringt, wenn man ihn danach fragt, sondern genau das Gegenteil bewirkt." Bei einem Verdacht rät Schmitz immer dazu, sofort in eine Klinik zu fahren oder die 112 zu wählen.
Autoren: Joschka Heinemann, Catharina Velten und Joachim Schultheis