Koalitionsverhandlungen gehen in neue Phase

Fraktionssitzung im Bundestag
© Michael Kappeler/dpa

Erste Etappe abgeschlossen

Berlin (dpa) - Angesichts von Differenzen bei zentralen Themen der Koalitionsverhandlungen nimmt die Union Tempo aus den Beratungen mit der SPD. Es komme jetzt auf die nächsten Wochen an, und es werde deswegen auch keinen Zeitdruck geben, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zum Fahrplan der Koalitionsverhandlungen für die kommenden Wochen. Das sähen CSU und SPD ebenso. 

Zugleich pochte der CDU-Mann auf einen Kurswechsel in zentralen Politikfeldern wie der Eindämmung der Migration, der Wirtschaftspolitik sowie der Sozialpolitik mit Änderungen beim Bürgergeld. Es gelte: «Kein Weiter so. Daran halten wir fest.»

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nannte es «völlig normal», dass es an der einen oder anderen Stelle noch «knirscht». Er verwies darauf, dass es schon in Sondierungsverhandlungen gelungen sei, Kompromisse zu finden. «Es geht jetzt überhaupt nicht darum, wer setzt sich wo durch, welche Trophäen werden gesammelt. Sondern es geht um eine gemeinsame Verantwortung, die wir für unser Land haben», sagte Klingbeil. Er sei «guter Dinge», dass man gemeinsam einen Koalitionsvertrag zustande bringen werde.

Neue Phase der Koalitionsverhandlungen

Die erste Phase der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ist beendet. Die 16 Arbeitsgruppen haben bis 17 Uhr fristgerecht ihre Textvorschläge für einen Koalitionsvertrag bei der Steuerungsgruppe eingereicht, wie Klingbeil vor einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion sagte. Nun soll die Spitzenrunde mit den vier Parteichefs und 15 weiteren Unterhändlern die noch offenen Fragen klären. 

In den nächsten Tagen wird das Material der Arbeitsgruppen zunächst gesichtet und zusammengeführt. Alles, wozu noch keine Einigkeit erzielt ist, soll in der neuen Woche dann im kleineren Kreis besprochen werden. Mitte dieser Woche soll ein Zeitplan für das weitere Vorgehen vorgestellt werden.

Ob die Regierungsbildung noch vor Ostern abgeschlossen werden kann, wollte Klingbeil nicht abschätzen. Dies war der ursprüngliche Plan von CDU-Chef Friedrich Merz gewesen.

Merz sieht wachsendes Vertrauen zwischen Union und SPD

Merz bemüht sich, den Eindruck tiefer Verwerfungen bei den Koalitionsverhandlungen zu zerstreuen. «Die Atmosphäre wird beständig besser, und das Vertrauen wächst. Und dieses Vertrauen brauchen wir zueinander», wurde der voraussichtlich nächste Kanzler von Teilnehmern einer Sitzung der neuen Unionsfraktion im Bundestag mit Blick auf das persönliche Miteinander zitiert. Die Verhandlungen seien derzeit in einer völlig normalen Phase. 

Aus einigen der Arbeitsgruppen gebe es ausdrücklich sehr gute Ergebnisse, sagte der CDU-Vorsitzende demnach. «An anderer Stelle müssen wir noch nacharbeiten.» Man lasse sich nicht unter Zeitdruck setzen. Merz betonte: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gut gelingt.» 

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, hatte zuvor betont, man werde «jetzt die offenen Punkte Stück für Stück abarbeiten». «Das soll zügig passieren, aber nicht unter Zeitdruck. Es ist wichtiger, dass wir jetzt eine gute Grundlage schaffen für eine erfolgreiche Regierung für Deutschland.»

Uneinigkeit in zentralen Fragen

Für die Arbeitsgruppen war Stillschweigen über das Fortschreiten der Verhandlungen und die Ergebnisse vereinbart worden, woran sich die rund 260 Verhandler auch weitgehend hielten. Größere Differenzen gab es dem Vernehmen nach zu den Themen Steuern, Sozialpolitik und Eindämmung der irregulären Migration. Umstritten war etwa auch die von der SPD geforderte Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen.

Übereinstimmung in verschiedenen Punkten

Zumindest in der Zielbeschreibung war man sich in der Gruppe einig, die sich mit Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau beschäftigt hat. Generelle Einigkeit besteht nach Angaben aus Teilnehmerkreisen etwa auch, was die Notwendigkeit angeht, das Bundespolizeigesetz zu reformieren, eine rechtssichere Verpflichtung zur Speicherung von IP-Adressen zu schaffen und – wie von der Europäischen Union gefordert – Maßnahmen zum Schutz von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur festzulegen.

Führende CDU-Politiker bestehen auf Politikwechsel

Angesichts der stockenden Verhandlungen mit der SPD bestehen führende Unionspolitiker auf der im Wahlkampf versprochenen Wende in der Migrations- und Wirtschaftspolitik. «Wir brauchen einen Politikwechsel in der Migrationspolitik, insbesondere auch in der Wirtschaftspolitik, damit die Jobs wieder sicher sind», sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst in Berlin vor Beratungen der CDU-Führung. 

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) erklärte: «Die Menschen haben bei der Bundestagswahl Veränderung gewählt und nicht ein Weiter so.» Alle Verhandlungspartner müssten «begreifen, dass es wirklich ein fokussiertes Angehen der Alltagssorgen der Menschen braucht».

Um Ministerien und Personalien geht es erst zum Schluss

Erst wenn die inhaltlichen Fragen weitgehend geklärt sind, soll entschieden werden, wie der künftige Zuschnitt der Ministerien aussieht und welche Partei welchen Posten besetzen darf. Spekuliert wird weiter über eine etwaige Eingliederung des Entwicklungsministeriums ins Auswärtige Amt.

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Fraktionssitzung im Bundestag
SPD-Chef Klingbeil sieht Kompromissmöglichkeiten dort, wo es noch knirscht.© Kay Nietfeld/dpa
SPD-Chef Klingbeil sieht Kompromissmöglichkeiten dort, wo es noch knirscht.
© Kay Nietfeld/dpa

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