Linke-Politikerin bewirft Lindner mit Schaumtorte
Veröffentlicht: Donnerstag, 09.01.2025 18:17
Vorfall bei Wahlkampfauftritt
Greifswald/Rostock (dpa) - Nach einem Schaumwurf auf FDP-Chef Christian Lindner bei einer Wahlveranstaltung in Greifswald ermittelt die Polizei gegen eine lokale Linke-Politikerin. Gegen die 34-Jährige sei von Amts wegen Anzeige wegen des Verdachts auf Körperverletzung und Beleidigung erstattet worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Beamte vor Ort hätten unmittelbar nach dem Angriff die Personalien der Frau festgestellt, sie aber nicht in Gewahrsam genommen.
Der Ex-Finanzminister hatte bei der Wahlkampfveranstaltung in Greifswald in einem kleinen Saal vor mehreren Menschen gesprochen. Völlig überraschend warf die Frau ihm eine Schaumtorte ins Gesicht. Lindner schmierte ihr einen Teil des Schaumes zurück in die Haare. Auf der Torte stand «Aus Liebe zur Freiheit». Lindner blieb unverletzt. Die Werferin wurde von Sicherheitsleuten zu Boden gebracht, wie auf einem dpa-Video zu sehen ist.
Der FDP-Politiker nahm den Vorfall betont locker. «Machen Sie sich bitte keine Sorgen», sagte er zu den Zuhörern. Er probierte den Schaum und setzte seine Rede fort. «Es war leider nicht Sahne, sondern nur Seife», sagte er. «Wenigstens das hätten sie besser machen können, dann hätte ich auch was davon gehabt», so Lindner, als er mit einer Serviette den Schaum abwischte.
Bei der Werferin handelt es sich um die Linke-Lokalpolitikerin Christiane Kiesow aus Greifswald. Das bestätigte auf dpa-Anfrage Linke-Landeschef Hennis Herbst, der sich zuvor klar von der Aktion seiner Parteikollegin distanziert hatte. Kiesow gehört dem Kreisvorstand Peene-Uecker-Ryck an, der auch die Stadt Greifswald umfasst.
Auch die Bundesspitze der Linken kritisierte den Schaumwurf. «Tortenwürfe als Form der politischen Auseinandersetzung zwischen demokratischen Parteien gehören nicht zu unserer Aktionsform, wir suchen die inhaltliche Auseinandersetzung», sagte Bundesgeschäftsführer Janis Ehling auf Anfrage. «Diese Werte werden wir auch mit der Genossin im direkten Austausch besprechen.»
Im Wahlkampf suchen Politiker die Nähe zum Wähler
Lindner gehört als FDP-Chef und bis zum Ampel-Aus amtierende Bundesfinanzminister immer noch zu den besonders geschützten Personen in Deutschland. Die Gefährdungseinschätzung nimmt dabei das Bundeskriminalamt (BKA) vor, das Personenschützer stellt.
Zum Wahlkampfauftakt am Vortag auf einem öffentlichen Platz in Potsdam waren zusätzlich auch die Polizei des Landes Brandenburg und das Ordnungsamt vertreten. Auch Ordner standen vor einer doppelten Absperrung, die aus Ständern und Bändern bestand. Allerdings: Der Wahlkampf ist eine besondere Herausforderung, denn Politiker suchen das Gespräch mit dem Wähler, wollen auch unmittelbare Nähe zulassen, sich womöglich frei zwischen Menschen bewegen.
Ein BKA-Sprecher teilte auf dpa-Anfrage mit, eine Teilnehmerin aus dem Publikum habe Lindner eine Requisitentorte aus Seifenschaum ins Gesicht geworfen und sei durch Kräfte des BKA festgehalten worden. Für die Gewährleistung des Personenschutzauftrages gelte nicht, dass sich grundsätzlich niemand der Schutzperson nähern darf. «Vor allem bei Wahlkampfveranstaltungen ist es üblich und gewollt, dass die wahlkämpfenden Personen in engeren Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommen.» Bestandteil einer professionellen Aufgabenwahrnehmung sei aber auch, Einsätze wie diesen umfassend nachzubereiten.
Lindner: «Mich bringt nichts aus der Ruhe»
Schon kurze Zeit nach dem Vorfall in Greifswald trat Lindner mit nur zehn Minuten Verspätung vor mehreren hundert Menschen bei einer Wahlkampfveranstaltung auf. Der 46-Jährige stieg lächelnd aus der schwarzen Limousine und begrüßte die Menschen mit den Worten «Hallo! Wie geht's?». Den Vorfall in Greifswald kommentierte er nur knapp mit einem Satz: «Mich bringt nichts aus der Ruhe.» Nach seiner Rede ging er zu den Menschen, um Selfies zu machen und mit ihnen zu diskutieren. Eine Gruppe junger Menschen hatte mit Sprechchören gegen die FDP protestiert.
Ohne auf den Schaumwurf direkt einzugehen, warnte Lindner in Rostock vor einer Verrohung in der politischen Auseinandersetzung. «Niemals dürfen wir so verroht werden wie die Vereinigten Staaten von Amerika», sagte er. «Diese innere Liberalität, wir müssen sie uns erhalten.»
Lindner begrüßte unter den Zuhörern auf dem Universitätsplatz persönlich den Linken-Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch. «Dass wir in einem Bundestagswahlkampf als Demokratinnen und Demokraten zusammenkommen können und wir hören die Argumente der anderen, auch wenn wir sie nicht teilen - das ist ein Zeichen für die politische Kultur unserer Demokratie.»
Politiker verurteilen den Vorfall
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte den Schaumwurf auf Lindner. «Angriffe auf Politikerinnen und Politiker sind kein Ausdruck demokratischen Verhaltens. Solche Aktionen sind ungehörig und gefährlich», schrieb er auf der Plattform X.
Auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verurteilte die Schaumattacke. «Das gibt einen Vorgeschmack darauf, was wir hier möglicherweise in diesem Wahlkampf noch erleben», sagte der CDU-Vorsitzende bei einer Veranstaltung des Clubs Hamburger Wirtschaftsjournalisten (CHW). Es sei Gott sei Dank nicht mehr passiert. Aber die Bereitschaft zur gewalttätigen politischen Auseinandersetzung scheine in Teilen der Bevölkerung zuzunehmen. «Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt.»
Wirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck schrieb auf X: «Tätliche Angriffe jedweder Art haben im Ringen um die besten Lösungen für dieses Land nichts zu suchen!»
Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki zeigte sich nach dem Schaumwurf besorgt. «Christian Lindner hat richtig reagiert und diesen Angriff mit angemessenem Humor beantwortet», sagte der Vizepräsident des Bundestags der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Trotzdem sind solche Interventionen nicht sonderlich beruhigend. Statt um eine Schaumtorte hätte es sich auch um etwas anderes handeln können.»
Der designierte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann erinnerte an eine Abmachung vor der Bundestagswahl. «Erst vor wenigen Wochen haben sich die demokratischen Parteien auf ein Fairness-Abkommen für den Wahlkampf verständigt. Heute erleben wir eine körperliche Attacke einer Linken-Lokalpolitikerin auf Christian Lindner», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.