Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel: Der Landwirt
Veröffentlicht: Montag, 27.02.2023 06:45
Wir stellen euch in der Serie "Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel" verschiedene Berufsgruppen vor, die direkt betroffen sind und ihre Arbeit, so wie sie sie kennen, umstellen müssen. In dieser Folge geht es um den Landwirt Jan.
"Letztes Jahr war für meinen Großvater auch der Punkt, wo er sagte: So oft und so häufig hintereinander diese Ereignisse, haben wir tatsächlich noch nicht erlebt."
Jan ist Ende zwanzig und Landwirt. Zusammen mit seinen beiden Brüdern und dem Vater betreibt er einen Bauernhof in Ratingen-Homberg. Sie bauen verschiedene Getreidesorten an, haben ein paar Kühe und Pferde. Es ist kurz vor neun, er sitzt mit seinen beiden Brüdern am Küchentisch und frühstückt. Eine erste Pause: Die Jungs sind nämlich schon seit einigen Stunden auf den Beinen. Sie nutzen den Frost aus, erklärt Jan, denn nur jetzt sinkt der Traktor in den schlammigen Boden nicht ein. Sie müssen die Ackerflächen von umgestützten Bäumen und herabgestürzten Ästen befreien, damit Anfang März der Winterweizen gedüngt werden kann. Als sein Großvater den Hof noch führte, konnte er sich noch mehr Zeit lassen, aber die Winter werden immer milder.
Nicht unwahrscheinliche Worstcase-Szenarien
"Für die Vegetation ist es sehr, sehr schwierig. Die stellt sich drauf ein, früher los zu wachsen und dann kommen so späte, gefährliche Fröste. Das kann deine Ernte total zerstören."
Das ist das Worstcase-Szenario für einen Bauern und nicht unwahrscheinlich. Klimawandel bei uns bedeutet nämlich nicht nur, dass es wärmer wird, sondern dass es auch immer häufiger zu Extremwetterereignissen kommt. Späte Fröste, Starkregen, Dürreperioden, Hitzewellen: Damit hat Jan schon seine Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel im letzten Jahr - als es im ganzen Sommer kaum geregnet hat und die Böden viel zu trocken waren.
Kein Raps, keine Kartoffeln
"Als wir im September den Raps säen wollten, der jetzt blühen soll, war das für uns fast unmöglich. Und auch die Kartoffeln konnten wir kaum ernten, weil sie so fest im Boden hingen. Wir mussten die Fläche mit Wasser nass machen, damit wir die Kartoffeln da raus bekamen".
Jan kann sich kaum noch sicher sein, wie seine nächste Ernte wirklich ausfällt. Deshalb stellt er sich breit auf. Experimentiert mit neuen Kartoffelsorten und baut diverser an. Sein Großvater kam noch mit drei oder vier Ackerpflanzen aus - Jan baut inzwischen sieben an. Der Grund ist ein pragmatischer: Wenn es einmal zu einer Missernte kommt, sind nicht direkt alle Pflanzen auf einmal betroffen. Außerdem versucht er, die Qualität seines Ackerboden so gut es geht zu bewahren und ihn vor dem Austrocknen zu schützen. Deshalb pflügt er sein Feld nicht mehr, sondern grubbert und erklärt, wie das geht:
"Bei einem Pflug wendet man den Boden komplett. Da werden dann auch viele wasserführende Schichten bewegt und verändert. Wir versuchen, so wenig Boden wie möglich zu bewegen, damit das Wasser, was darin gespeichert ist, nicht an die Oberfläche kommt und verdunstet."
Zusammenarbeit mit der Uni Bonn
Sein Vater hat sogar zusammen mit der Universität Bonn und der Landwirtschaftskammer ein eigenes Gerät entwickelt, welches Jan benutzt, wenn er Kartoffeln aussät. Neben jedem Damm mit Kartoffelknollen wird automatisch eine Art Wasserschutzdamm in den Boden gezogen. So wird bei Starkregenereignissen der Boden nicht mitsamt Kartoffeln weggeschwemmt, sondern der Boden bekommt die Chance, Wasser aufzunehmen und zu speichern.
Sind diese Maßnahmen genug, um dem Klimawandel zu begegnen? Reicht es aus, auf immer wieder neue, hitzeresistente Pflanzenarten zu setzen und gegen die Trockenheit im Boden zu kämpfen? Zu diesem Thema forscht Claas Nendel am Leibniz-Institut für Agrarlandforschung in Brandenburg. Bei seinen Untersuchungen simuliert er das Wachstum von Pflanzen am Computer - im Klima der Zukunft.
"Es gibt sicherlich noch Spielraum in der Züchtung, aber irgendwann ist auch die Grenze erreicht und dann müsste man schauen, ob es nicht auch andere Kulturpflanzen gibt, die man stattdessen anpflanzen kann. Und wir dann Ackerkulturen anbauen, die jetzt schon in Ländern angebaut werden, wie der Türkei oder Syrien."
Er spricht von Pflanzen wie Hirse oder Kichererbsen. Darüber hat Jan auch schon nachgedacht. Im Moment fehlt ihm jedoch die Möglichkeit, das auch zu vermarkten. Er schließt es aber nicht komplett aus, dass er irgendwann in Zukunft auch solche Pflanzenarten auf seinen Feldern anbauen wird.
Leben mit dem Klimawandel: Der Landwirt
Hat der Klimawandel auch Vorteile? Jan will nicht falsch verstanden werden
"Das ist halt wirklich ein Experimentieren momentan."
Hat der Klimawandel für ihn denn auch Vorteile? Jan ist diese Frage sichtlich unangenehm.
"Das darf man nicht falsch verstehen, aber Pflanzen brauchen auch CO2. Und wenn wir eine Anreicherung von CO2 in der Luft haben, dann hat es die Pflanze nicht gerade schwerer zu wachsen."
Jan hat Angst, dass solche Aussagen falsch verstanden werden - er möchte den Klimawandel nicht unterstützen. Aber diese Tatsache beruhigt ihn, denn das sichert ihm einen gewissen Ertrag. Auch wenn dabei manchmal die Qualität auf der Strecke bleibt. Untersuchungen haben ergeben, dass zum Beispiel bestimmte Kleberproteine, die im Weizen enthalten sind, weniger werden, je mehr CO2 in der Luft ist.
"Das haben wir dieses Jahr auch erfahren, dass ein Teil unseres Weizens zum Backen nicht geeignet ist."
Klimawandel kann ganze Ernten zerstören - wie sieht die Landwirtschaft in 2050 aus?
Und man darf auf der anderen Seite nicht vergessen, dass durch ein Voranschreiten des Klimawandels auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass durch Extremwetterereignisse ganze Ernten zerstört werden. Außerdem wird in Zukunft weniger Wasser zur Verfügung stehen, um bei längeren Trockenperioden Pflanzen zu wässern. Darin sieht Forscher Claas Nendel eine der größten Herausforderungen der Zukunft.
"Die Tatsache, dass der Rhein immer genügend Wasser führt, ist vielleicht ein Bild, von dem wir uns verabschieden müssen. Dann wird es sicherlich zu einem Konflikt kommen zwischen den Städten, die natürlich ihre Bewohner mit Trinkwasser versorgen müssen, und den ländlichen Gebieten, wo Landwirte vielleicht jetzt noch ihre Kartoffeln bewässern".
Wie sieht Jan also seinen Hof im Jahr 2050 - welche Pflanzen werden seine eigenen Kinder einmal anbauen? Er lacht:
"Ich glaube, Kartoffeln werden wir immer noch machen. Aber ich denke auch, dass wir irgendwo in trockentolerante Kulturen einsteigen werden."
Das heißt für uns: Es wird anders aussehen auf unseren Tellern in Zukunft. Vielleicht müssen wir offener sein für neue Lebensmittel. Denn die Lebensmittel, die wir in der deutschen Küche gewohnt sind, wird es weniger geben. Die Kartoffeln werden kleiner werden, das Brot ein bisschen anders schmecken - und der goldgelbe Raps wird vielleicht aus unserem Landschaftsbild verschwinden.
Trotzdem: Jan möchte sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen.
"Man muss einfach losgehen, machen, ausprobieren und sich für Sachen engagieren und einsetzen. Und wenn jeder bei sich anfängt, etwas zu verändern, glaube ich, dass wir die Zukunft hinbekommen".
Autor: Nina Tenhaef