Post vom Ex-Pfarrer nach dem Kirchenaustritt

Wer in Grevenbroich oder Rommerskirchen aus der katholischen Kirche austritt, bekommt Post von Pfarrer Meik Schirpenbach. Seine Intention dahinter ist ein Gesprächsangebot.

© Meik Schirpenbach

Auf zwei Seiten entschuldigt sich Meik Schirpenbach sozusagen für die Lage in der Kirche. Es geht dabei beispielsweise um Missbrauchsfälle und den Umgang damit. Wir haben mit ihm über den Brief gesprochen.

Wie ist die Idee zu der Aktion entstanden?

Wir haben damit in der jetzigen Form 2021 angefangen. Das war als im Kölner Erzbistum diese ganzen Dinge liefen rund um die Missbrauchsgutachten. Da waren damals viele Dinge, die die Leute nicht verstanden haben. Ich selber auch nicht. Leute sagten: "Jetzt reicht es uns - Jetzt gehen wir." Mir war wichtig zu sagen: "Ja, diesen Frust und diesen Ärger, das kann ich total verstehen." Das war ein Versuch, das auszudrücken und zu sagen: "Ein Kirchenaustritt heißt nicht, dass hinter einem alle Türen zufallen." Dem ganzen Seelsorger-Team war zum Beispiel wichtig öffentlich zu machen, wenn jemand aus der Kirche ausgetreten ist, kann er zum Beispiel nach seinem Tod weiter von uns beerdigt werden. Manche anderen Gemeinden sanktionieren einen Austritt. Dort ist so etwas danach nicht mehr möglich. Das wollen wir aber nicht. Auch aus dem Grund, da es einen Kirchenaustritt in dieser Form nur in Deutschland gibt. In anderen Ländern geht man eher auf Distanz zur Kirche und man entscheidet selbst, ob man sich der Kirche wieder annähert oder nicht.

Wie waren die Rückmeldungen zu dem Brief?

In der ersten Zeit gab es immer wieder Rückmeldungen. Es gab schriftlichen Austausch oder Videogespräche und seltener ein persönliches Gespräch. Einige äußerten, dass sie sich verstanden und mit ihrem Frust sowie Ärger ernst genommen fühlen. Inzwischen hat das nachgelassen. Es gibt eigentlich kaum noch Rückmeldungen. Was ich mir eigentlich erhofft hatte, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, passiert aktuell eher weniger.

Was waren die Themen in den Gesprächen oder im Austausch?

Damals waren es für Viele die konkreten Ereignisse in Köln und die Art, wie mit mit dem Missbrauchsgutachten umgegangen worden ist - beispielsweise die ganze Informationspolitik. Vielen war es wichtig auszudrücken, dass das der Hintergrund für ihren Austritt war und nicht der christliche Glaube.

Gab es dazu Rückmeldungen vom Erzbistum Köln oder Kollegen?

Nein, aus Köln bekommen wir nie eine Rückmeldung. Ich glaube dafür sind wir zu uninteressant. Bei Kollegen sind das Schreiben und unsere Haltung nicht unumstritten. In letzter Zeit ist aber auch das weniger geworden. 2021 war es noch mehr Thema. Ich habe den Eindruck, Vielen geht es mittlerweile wieder mehr um das Tagesgeschäft.

Welche Auswirkungen haben das Schreiben und die Austritte auf Ihre Arbeit?

Vor Ort merken wir schon ziemlich extrem, dass unsere finanziellen Möglichkeiten geringer werden. Sicherlich werden diese in den nächsten Jahren zu Diskussionen führen. Dabei geht es zum Beispiel darum, welche Kirchen möglicherweise geschlossen werden. Das finde ich schon sehr schmerzlich. Dadurch gibt es einen kulturellen Ausverkauf. Das ist das, was in den Niederlanden seit Jahren läuft und immer mehr Tempo bekommt. Da verschwindet etwas aus dem Orts- oder Stadtbild und mehr. Wenn das mal alles weg ist, dann wird man sich wundern: "Oh was haben wir denn da aufgegeben." Das Tragische ist, es kommt nichts nach. Ich würde mir ja wünschen, dass jeder, der aus der katholischen Kirche austritt, zumindest evangelisch wird oder mennonitisch oder so etwas wird. Das sind Entwicklungen, die zeichnen sich langsam ab. Aber, was das bedeuten wird, das kann man natürlich nicht voll prognostizieren. Aber es trifft tatsächlich die Gemeinden vor Ort und die am härtesten.

Wo sehen Sie denn konkrete Probleme?

Es gibt natürlich Themen in der katholischen Kirche, die bedürfen einer dringenden Reform. Ich nenne mal die Zulassung zur Weihe oder die Zölibats-Pflicht. Das ist aber weniger präsent in der Berichterstattung oder Wahrnehmung. Gleichzeitig ist aber auch inzwischen viel im Rollen. Da müsste viel geschehen, auch um zu zeigen: Die katholische Kirche ist nicht ein monolithischer Block. Sie ist auch eine weltweit vernetzte interkulturelle Gemeinschaft. Was wir auch hier vor Ort - durch u. a. viele Leute mit Migrationshintergrund - spüren, auch bei uns im Seelsorge Team. Da wird natürlich auch nicht alles immer nur durch die Brille - ich sag mal - unserer westlichen Kultur gesehen. Wir müssen auch manche Kompromisse leben. Da erlebe ich, die Bereitschaft ist immer geringer. Es ist ja auch so: Wir sehen viele globale Probleme und wir tun oft so, als wenn es das alles nicht gäbe - zum Beispiel die Klimakrise oder der eigene Wohlstand. Ich glaube, es muss an den eigenen Wohlstand gehen. Die Bereitschaft ist da aber nicht so hoch.

Was würden Sie sich wünschen?

Ich würde mir wünschen, in einem größeren Rahmen zu denken und da vielleicht auch manche Widersprüche, Ambivalenzen auszuhalten. Es kann auch sein, dass einem der christliche Glaube nichts mehr sagt. Aber dann wäre es auch ein ehrlicher Grund zu sagen: "Nein, ich kann mit dieser Dimension einfach nichts mehr anfangen." Mein Eindruck ist auch, dass es ein gewisses Kirchen-Bashing gibt und Vieles wird auf die Kirche projiziert, obwohl es ein viel breiteres Thema ist. In der Kirche ist vieles total krank. Ich glaube aber, in unserer Gesellschaft, in unserem System ist auch vieles total krank. Das hängt oft miteinander zusammen und sind die Ängste vor Veränderung bei Verantwortungsträgern in der Kirche oder in unserer Gesellschaft - beispielsweise mit Blick auf die Klimakrise. Da würde ich mir viel mehr Austausch aber auch viel mehr Offenheit wünschen, genaueres Hinschauen: Was passiert denn eigentlich wirklich? Wo geben wir vielleicht auch ein Potenzial weg mit unserem Christentum? Auch in der Begegnung mit dem Islam und anderswo.

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