"Wir schaffen das" – Angela Merkel zum 70. Geburtstag
Veröffentlicht: Dienstag, 16.07.2024 11:00
16 Jahre lang war Angela Merkel Bundeskanzlerin. Und dass sie es überhaupt wurde, war alles andere als selbstverständlich. Am Mittwoch (17.07.) feiert Merkel ihren 70. Geburtstag.
Von Hamburg über die DDR in die große Politik
Angela Dorothea Merkel wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg als Angela Dorothea Kasner geboren. Die Eltern, ihr Vater Theologe, die Mutter Lehrerin, gingen bereits wenige Wochen nach ihrer Geburt in die DDR. Dort trat der Vater eine Pfarrstelle an. Angela Merkel machte in Templin das Abitur mit Bestnoten und studierte anschließend Physik. Danach arbeitete sie bis zur Wende an der Akademie der Wissenschaften. Politisch fiel sie in der DDR lange nicht auf. Sie war weder Mitglied der SED noch einer der Blockparteien. Erst zum Ende der DDR im Herbst 1989 engagierte sich Merkel Politisch in der Partei "Demokratischer Aufbruch" bevor diese ein Jahr später mit der CDU fusionierte.
Ministerin unter Helmut Kohl
Angela Merkel war direkt erfolgreich. Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl erhielt sie 48,5 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis. Dank ihres Förderers Helmut Kohl wurde sie Ministerin für Frauen und Jugend. Das Ministerium galt als „Rest-Ministerium“ mit wenig Kompetenzen. Es war eines der drei neuen Ministerien, dass nach der Aufsplittung des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit entstanden war. Nach der nächsten Wahl wurde sie 1994 Bundesumweltministerin. Grundsätzlich erfüllte sie ein wichtiges Profil für die Union: Sie war aus Ostdeutschland und eine Frau.
Generalsekretärin in der Opposition
Nach der Wahlniederlage der CDU 1998 wurde Angela Merkel Generalsekretärin der Partei. Einer der wenigen Posten, der mit Gestaltungsmacht, die der langjährigen Regierungspartei CDU in der Opposition geblieben waren, versehen war. Nach der Spendenaffäre wurde sie dann 2000 Parteivorsitzende, ein Amt, dass sie 18 Jahre lang behalten sollte.
Die Unterschätzte erobert das Kanzleramt
"Das war ja ihr ganzes halbes Leben lang ihr Erfolgsgeheimnis, dass sie immer unterschätzt wurde", sagt Thomas de Maizière (CDU). Er wird später Merkels Kanzleramtschef, Innen- und Verteidigungsminister. In einer ARD-Doku ist er einer der befragten Zeitzeugen aus dem politischen Lager.
Kanzler ist seit 1998 Gerhard Schröder. Die von ihm geführte rot-grüne Koalition verteidigt vier Jahre später die Macht. Dann kommt die vorgezogene Bundestagswahl 2005. Merkel ist jetzt Kanzlerkandidatin der Union. Die Umfragen deuten auf einen hohen Wahlsieg von CDU und CSU hin. Doch am Wahlabend schrumpft dieser auf einen nur hauchdünnen Vorsprung vor der SPD zusammen.
Unvergessen ist der Auftritt des völlig überdrehten Schröder in der „Berliner Runde“:
"Sie wird keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner sozialdemokratischen Partei hinkriegen. Das ist eindeutig. Machen Sie sich da gar nichts vor."
Tatsächlich ist es Schröder, der sich etwas vormacht. Am 22. November 2005 legt Merkel den Amtseid als Bundeskanzlerin ab.
Kanzlerin im Krisenmodus
Merkel bleibt 16 Jahre im Kanzleramt - fast auf den Tag so lang wie Kohl. Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch diese Zeit zieht, dann sind es Krisen auf unterschiedlichen Feldern und in unterschiedlichen Dimensionen: Finanz- und Bankenkrise, Euro-Krise, Flüchtlingskrise, Klimakrise, Corona-Krise - um nur die größten zu nennen. Die Kanzlerin nimmt es mit dem ihr eigenen Pragmatismus:
"Ein Leben ohne Krisen ist natürlich einfacher. Aber wenn sie da sind, müssen sie bewältigt werden", sagt sie am Ende ihrer Amtszeit.
Flüchtlinge als Herausforderung
Jede dieser Krisen hat ihre eigene Gefährlichkeit. Aber nichts krempelt die politische Landschaft in Deutschland so um wie die 2015 einsetzende Flüchtlingskrise. Als Merkel grünes Licht für die Aufnahme von in Ungarn gestrandeten Menschen gibt, kommen erst Zehn-, dann Hunderttausende nach Deutschland. Die anfängliche Hilfsbereitschaft schlägt bald um. Als «Volksverräterin» wird die Kanzlerin jetzt beschimpft. «Merkel muss weg» wird bei den Demonstrationen skandiert, etwa denen der selbst ernannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz Pegida. Die AfD wächst stetig, zieht 2017 in den Bundestag ein.
Und Merkel? Sie setzt bei ihrer Sommerpressekonferenz am 31. August 2015 gegen die Wut vieler Bürger wieder einen knappen Drei-Worte-Satz:
"Wir schaffen das."
Dies nimmt ihr aber noch nicht einmal die Schwesterpartei CSU und deren Vorsitzender Horst Seehofer ab. Das Verhältnis der Unionsparteien wird empfindlich gestört.
Neue gesellschaftliche Konflikte durch Pandemie
Dann kommt eine Herausforderung mit ganz eigener Dimension. Anfang 2020 breitet sich das Corona-Virus auch in Deutschland rasant aus.
"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst", sagt die Kanzlerin in einer Fernsehansprache am 18. März.
Wieder so eine Botschaft aus wenigen Worten. Es folgen immer neue Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Inzidenzgrenzwerte. Merkel beschwört die Solidarität der Bürger - doch je länger die Pandemie und die Einschnitte in den Alltag anhalten, umso mehr bröckelt diese.
Ein Jahr nach ihrer Fernsehansprache macht Merkel etwas, was man bis dahin nicht von ihr kannte. Sie entschuldigt sich für die gerade erst mit den Ministerpräsidenten beschlossene "Osterruhe" und nimmt diese zurück.
"Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler", sagt sie im Bundestag.
Abschied von der Macht auf Raten
Merkel zieht sich schrittweise aus der Politik zurück. Im Dezember 2018 gibt sie den Parteivorsitz an Annegret Kramp-Karrenbauer ab. Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits angekündigt, dass sie bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr antreten werde. Sie, die 2005 einen Sozialdemokraten aus dem Kanzleramt vertrieb, muss dieses nun wieder an einen Sozialdemokraten zurückgeben: Olaf Scholz.
Autoren: Ulrich Steinkohl und Jörg Blank (dpa), David Müller